Dienstag, 20. Oktober 2015

Stunde Null - Was passiert vor, während und nach dem Notartermin?

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In Deutschland ein Haus zu kaufen ist schwierig. Abgesehen davon, dass man erstmal ein passendes Schmuckstück finden muss, gibt es rechtlich einige Hürden zu nehmen.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal so darüber freuen würde endlich eine große Summe Geld bezahlen zu dürfen. Vermutlich ein Phänomen, das beinahe ausschließlich bei Immobilienkäufern auftritt. Aber der Reihe nach.

Zunächst ist vielleicht die Begriffsklärung des Wörtchens "Notar" hilfreich.
Ein Notar ist im Grunde ein unparteilicher Jurist, der jede Art von Rechtsgeschäften beurkundet, also bezeugt und rechtskonform festhält. Notariell beurkundete Rechtsgeschäfte sind in der Regel "sofort vollstreckbar". Wenn man also beispielsweise etwas gemäß des Notarvertrages kauft (Achtung: mit der Unterschrift ist es nicht getan!), könnte der Käufer ggf. per Gerichtsvollzieher eine erworbene Immobilie räumen lassen, ohne vorher den Verkäufer verklagen zu müssen.
Möchte man in Deutschland eine Immobilie oder ein Grundstück erwerben kommt man leider nicht an einem Notar vorbei. Selbst bei Schenkungen oder Erbschaften bleibt einem der Gang ins Notariat meist nicht erspart, denn all diese Geschäfte haben ohne notarielle Beurkundung im Zweifelsfall keinen wert und sind nicht rechtsgültig.
So mussten also auch wir in den bittersüßen Apfel beißen, der ja einerseits so viel Sicherheit versprach, andererseits Geld und vor allem Zeit kostete.

Was vor dem Termin geschah: 

Nachdem wir unser Kaufinteresse mitgeteilt hatten, hatte der Verkäufer bereits einen Vorschlag zum Notar. Die endgültige Wahl blieb natürlich uns als Käufern vorbehalten, das wir aber zum einen keine Präferenz hatten (da wir ja noch nie mit diesem Gewerk in Berührung gekommen waren) und zum anderen von den Verkäufern bereits im Vorfeld ein relativ zeitnaher Termin bei Notarin X reserviert worden war, willigten wir ein.
Die verkaufende Partei bestand aus einer Erbengemeinschaft von 13 Leuten(Ja, ihr lest richtig. Die verstorbene Eigentümerin hatte 9 Kinder), inklusive einer Minderjährigen Person und natürlich kamen weder alle aus der näheren Umgebung, noch herrschte regelmäßiger Kontakt oder auch nur ein gutes Verhältnis zwischen den Hinterbliebenen. Am Stichtag jedoch, sollten sich ohnehin alle in unserer Heimat treffen um ein Konto der Verstorbenen aufzulösen.
So trafen wir uns also 3 Wochen vor dem eigentlichen Termin mit Herrn K, der uns das Haus gezeigt hatte und als vollmachtloser Vertreter der Erbengemeinschaft fungierte, beim Notar um unsere Wünsche zum Vertrag zu besprechen.
Im Grunde war das nicht besonders viel, da wir uns bereits im Voraus mit Herrn K über das meiste geeinigt hatten. Es wurden Dinge wie der Kaufpreis festgeschrieben, wer was bezahlt, dass wir das Objekt kaufen, wie wir es gesehen haben, dass wir 400 Liter Heizöl mit übernehmen und die grundlegenden Daten von uns und vom Objekt wurden festgehalten. Außerdem wurden unsere ersten Fragen geklärt.
Darunter beispielsweise: "Was geschieht mit der Wohngebäudeversicherung?" (geht auf den Käufer über), "Was müssen wir bis zum Stichtag besorgen?" (Einen Energieausweis [mehr dazu später in einem eigenen Post], einen gültigen Lichtbildausweis und unsere Steuernummer) oder: "Wie läuft das überhaupt alles ab?".
Nach einigen Tagen erhielten wir den ersten Vertragsentwurf zur Ansicht und, liebe Leser, hier mein erster guter Ratschlag: Lest ihn euch sehr sehr genau durch und googled was das Zeug hält.
Nebst diverser Rechtschreibfehler und vergessener oder verdrehter Worte (die teilweise sinnverändernd waren) gab es ein oder zwei inhaltliche Punkte, die wir nicht stehen lassen wollten.
Zwar kann man auch zum Termin der Vetragsunterzeichnung während der Verlesung noch Fragen stellen und Änderungen wünschen, aber da geht alles recht schnell und es kann den Termin ungemein in die Länge ziehen.
Nach Sendung unserer Anmerkungen erhielten wir einen neuen Vertragsentwurf usw.
Dann folgte eine lange Zeit des Wartens und Daumendrehens und ein kleines Ärgerniss, als das Notarbüro den vereinbarten Termin plötzlich um einen Tag verschieben musste, was für Rummel in der Erbengemeinschaft sorgte.
Zu unserem Großen Glück waren sich alle 13 aber von Anfang bis Ende in dem Punkt einig, dass sie das Objekt zum vereinbarten Preis verkaufen wollten und so fand sich auch wirklich ein Weg für Alle (außer die Kinder) einen Tag länger in der Stadt zu bleiben um zur Beurkundung zu erscheinen. Geld ist eben ein guter Pull-Faktor.


Was zum Termin geschah: 

In bester Sonntagskleidung machten wir uns morgens auf zu unserem Notartermin, froh nach dem Warten der letzten Wochen in wenigen Stunden endlich loslegen zu können, den Schlüssel zu haben und sich wie ein Hausbesitzer zu fühlen. Eine irrige Annahme, wie sich bald herausstellen sollte.
Als wir (10 Minuten zu früh) eintrafen, saßen bereits 11, sich erstaunlich ähnlich sehende, Erben, eine Insolvenzverwalterin und ein verlesender Anwalt an einem großen unsymmetrischen Tisch in einem kleinen Raum und beäugten uns mehr oder weniger neugierig.
Nach kurzer Vorstellung reichten wir unsere Ausweise an eine Notargehilfin weiter und bequemten uns an eine Ecke des Tisches. Bald darauf folgte die Notarin (nennen wir sie) Frau Dr. Rose und nach kurzer Begrüßung begann der Anwalt mit dem (nicht deutlichen aber umso schnelleren) Verlesen des neusten Vertragsentwurfes, immer wieder unterbrochen von den Anmerkungen der Notarin, die Ausweisnummern, Adressen und Namen überprüfte und hin und wieder eine Passage erläuterte. Auch die Erben hatten ab und an eine Frage oder ein vergessenes Komma zu melden und eine ältere Dame im besonderen lies häufiger verlauten: "Damit bin ich nicht einverstanden.".
Wir waren die meiste Zeit eigentlich Zuschauer, da wir bereits im Vorfeld in zahllosen E-Mails an das Notarbüro alle unsere Fragen geklärt hatten und inhaltlich eigentlich keine Veränderungen am Vertrag vorgenommen wurden und so unterzeichneten wir schließlich, gemeinsam mit allen anderen.

Jahaaa, Pustekuchen! 

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Was nach dem Termin geschah: 

Und nun wird es nervig. Zunächst einmal: das Honorar des Notarbüros. Ganz am Anfang war die Rede von etwa 300€. Auf meine erneuten Nachfragen im Notariat erhielt ich immer die Antwort: "Das kann man im Vorfeld nicht kalkulieren, das geht  nach dem was Sie brauchen und nach Tabelle. Die genau Rechnung erhalten Sie nach Vertragsunterzeichnung". Danke für nichts. Wenn ich meinen Kunden so eine schwammige Auskunft geben würde wäre ich sicher bald nicht mehr im Geschäft. Unerfahren wie wir nun mal waren dachten wir uns: "Nun gut. Vielleicht werden es 400€, wäre auch okay und im Grunde hat man eine schlechte Verhandlungsbasis, wenn man davon abhängig ist den vereinbarten Notartermin zu behalten. Wird schon"
Und es wurde auch. Nämlich genau 808,14€. Allein die Portokosten (wir erinnern uns: 13 Erben) liegen bei 90€ und die Ausfertigung und Vervielfältigung der Dokumente bei 150€ (Platinpaier, oder was?) und dann haben wir natürlich noch die gute alte Umsatzsteuer.
Versteht mich nicht falsch: die Rechnung ist gut aufgeschlüsselt und gerechtfertigt (soweit wir das beurteilen können), es ist nur blöd, dass wir im Vorfeld nie eine annähernd richtige Preisangabe bekommen haben.

Außerdem doof: endlose unbestimmte Wartezeit.
Zwar bekamen wir kulanterweise bereits einen Schlüssel zum Haus um es zu Planungszwecken zu betreten, allerdings hörte der Fortschritt an dieser Stelle auch bereits auf. Wir durften nichts am Haus verändern (außer vielleicht den Rasen zu mähen), was sich nicht rückgängig machen ließe, sollte der Vertrag nicht zustande kommen. Ja, richtig! Mit der Unterschrift der 11 Erben war der Vertrag noch lange nicht rechtsgültig. Abwesender Erbe Nummer 1 (gerade 18) musste bei seinem heimatlichen Notar eine Unterschrift leisten, Abwesende Erbin Nummer 2 (minderjährig, und jetzt wird es spaßig) brauchte eine Bestätigung vom Familiengericht, dass sie dem Vertrag zustimmen darf. Das scheint gängige Praxis zu sein um Kinder davor zu schützen, das prunkvolle Villen für wenige Euro verscherbelt werden, um der Steuer ein Schnippchen zu schlagen.
Benötigte Zeit dafür? 2 Wochen bis 2 Monate. Großartig! Wir reden hier von 400€ Erbschaft. Ob da nach Notar- und Gerichtskosten überhaupt noch etwas Nennenswertes für das arme Mädchen übrig blieb wage ich zu bezweifeln.
Hier hört die Liste aber noch nicht auf. Das sind erst die Bedingungen, die erfüllt werden mussten, damit wir den Kaufpreis auf dem Anderkonto des Notars (eine Art Treuhandkonto, von dem das Geld an die Erben verteilt wird) hinterlegen durften.
Glücklicherweise bekamen wir bereits nach 3 Wochen die erforderlichen Unterlagen.
Um mit Baumaßnahmen zu beginnen sollte man jedoch auf den Eintrag ins Grundbuch warten. Der wiederum kann erst erfolgen, wenn man die Grunderwerbssteuer bezahlt hat. Die Zahlungsaufforderung dazu wird vom Notar beantragt nachdem der gesamte Kaufpreis hinterlegt ist. Vor etwa einer Woche haben wir den Kaufpreis gezahlt und warten jetzt immer noch auf das Schreiben des Finanzamtes.
Und natürlich gibt es noch einen letzten Punkt: selbst nach Eintrag ins Grundbuch kann noch festgestellt werden, dass unser erworbenes Grundstück in der Vergangenheit mal vom Staat enteignet wurde. Die Verkäufer sagten zwar, dass das nach ihrem Wissen nicht der Fall sei, aber wirklich sicher weiß man das erst, nach entsprechender Bestätigung des Staates.
Diese dauert ebenfalls mehrere Monate. Wollten wir also völlig sicher gehen, dass nicht im schlimmsten Fall unsere Sanierungsaufwendungen samt Haus und Grund zurück übereignet würden, müssten wir mit Investitionen auch noch auf dieses Schreiben warten, aber irgendwann ist ja mal gut.
Wenigsten würde in diesem schlimmsten Fall der Verkäufer den Kaufpreis zurückerstatten und die Kosten tragen müssen, aber auf die grauen Haare sind wir nicht wirklich scharf.
http://michael-mannheimer.net/wp-content/uploads/2015/09/Enteignung-SBZ1.jpg


Zusammengefasst sollte man also rund um den Notartermin folgendes bedenken:

- rechnet mit mehr Notarkosten, als euch zu Beginn gesagt wird und versucht den Notar zu einem       groben KVA zu bewegen.
- Mehr Erben = Mehr Kosten, mehr Stress und größere Wartezeit -> Macht ein Testament!
- Versucht immer euch im Vorfeld so weit wir möglich mit dem Verkäufer und dem Notar über alles einig zu werden.
- Stellt euch darauf ein, dass es nach dem Notartermin noch eine ziemlich lange Wartezeit und große Unsicherheit gibt bevor ihr wirklich loslegen könnt.
- Fragt wenn ihr etwas nicht versteht. Ihr bezahlt den Notar, also muss er auch geduldig jede "dumme" Frage beantworten.
- Verzichtet auf die Sonntagskleidung. So eine große Sache ist es nicht.


Ob jetzt alles also endlich ruhig läuft? Keiner kann es sagen. Wir wissen auf jeden Fall dass wir, wenn alles rechtlich unter Dach und Fach ist, genau das tun werden:

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Eure beurkundeten jetzt-fast-Bauherren










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